
Der entscheidende Wettbewerbsvorteil liegt nicht darin, auf Trends zu reagieren, sondern darin, ein System von Frühwarnindikatoren zu etablieren, das Disruptionen vorhersagbar macht.
- Erfolgreiche Innovatoren investieren nicht mehr, sondern gezielter in Technologien, die anfangs unrentabel erscheinen.
- Die größte Gefahr ist nicht die Konkurrenz von außen, sondern die strategische Inkompatibilität neuer Ideen mit dem bestehenden, erfolgreichen Geschäftsmodell.
Empfehlung: Führen Sie einen systematischen Innovations-Radar ein, statt auf zufällige Entdeckungen zu hoffen, und nutzen Sie gezielt das deutsche Forschungsökosystem.
In den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen herrscht oft ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Man ist stolz auf die eigene Ingenieurskunst, die inkrementelle Verbesserung bestehender Produkte und die Marktführerschaft in hochspezialisierten Nischen. Doch während man die Effizienz der eigenen Maschinen optimiert, verändert draußen ein unscheinbares Startup die Spielregeln des gesamten Marktes. Die Geschichte ist voll von Giganten wie Kodak oder Nokia, die nicht an mangelnder Qualität, sondern an der Ignoranz gegenüber disruptiven Veränderungen scheiterten.
Der gängige Rat klingt simpel: Man solle Startups beobachten, in Forschung und Entwicklung (F&E) investieren und eine „agile Kultur“ fördern. Doch diese Ratschläge bleiben oft oberflächlich. Sie führen zu Aktionismus, aber selten zu einer echten, vorausschauenden Strategie. Unternehmen ertrinken in Trend-Reports, ohne zu wissen, welche der unzähligen neuen Technologien wirklich relevant ist. Sie investieren Millionen in F&E, doch die Ausgaben verpuffen, weil sie nicht auf die richtigen Felder ausgerichtet sind.
Aber was wäre, wenn die Identifikation von disruptiven Innovationen kein Glücksspiel mehr wäre? Was, wenn man sie nicht nur beobachten, sondern systematisch erkennen könnte – bis zu 18 Monate, bevor sie den Massenmarkt erreichen? Die wahre Kunst liegt nicht darin, jedem Trend hinterherzulaufen, sondern darin, ein intelligentes System aus Frühwarnindikatoren aufzubauen. Es geht darum, die Signale im Rauschen zu finden, die auf eine grundlegende Marktverschiebung hindeuten.
Dieser Artikel ist kein weiterer Trend-Report. Er ist eine strategische Anleitung für Unternehmenslenker, die Innovation vom Zufallsprodukt zur berechenbaren Wachstumsmaschine machen wollen. Wir werden untersuchen, wie Sie die entscheidenden Phasen für Technologieinvestitionen erkennen, warum die meisten Game-Changer scheitern und wie Sie eine Kultur schaffen, die Disruption nicht als Bedrohung, sondern als größte Chance begreift.
Dieser Leitfaden bietet Ihnen einen strukturierten Überblick, um eine proaktive und systematische Innovationsstrategie in Ihrem Unternehmen zu verankern. Die folgende Gliederung führt Sie durch die entscheidenden strategischen Überlegungen.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zur vorausschauenden Innovationsstrategie
- Wann der richtige Zeitpunkt ist, in eine neue Technologie zu investieren: die 3 entscheidenden Phasen?
- Warum die meisten „Game-Changer“ scheitern: was deutsche Unternehmen daraus lernen können?
- Wie Sie Innovation mit begrenztem Budget umsetzen: der Weg für den deutschen Mittelstand?
- Kontinuierliche Optimierung oder radikaler Neuanfang: welche Strategie für Ihr Unternehmen funktioniert?
- Die Selbstzufriedenheitsfalle, die erfolgreiche Unternehmen in die Irrelevanz führt
- Welche disruptive Technologie für Ihre Industrie in den nächsten 3 Jahren entscheidend wird?
- Warum wahllose F&E-Ausgaben verpuffen: was erfolgreiche Innovatoren anders machen?
- Wie Sie Innovation vom Zufall zur berechenbaren Wachstumsstrategie machen
Wann der richtige Zeitpunkt ist, in eine neue Technologie zu investieren: die 3 entscheidenden Phasen?
Die Entscheidung, wann in eine neue Technologie investiert werden soll, ist eine der kritischsten strategischen Weichenstellungen. Ein zu frühes Engagement kann Ressourcen für eine unausgereifte Idee verbrennen, während ein zu spätes Handeln den Anschluss an den Markt kostet. Die Innovationsfähigkeit Deutschlands erodiert laut einer Studie langsam aber sicher, was sich darin zeigt, dass Deutschland auf Rang 12 von 35 Volkswirtschaften gefallen ist. Umso wichtiger ist ein klares Framework für Investitionsentscheidungen, das auf drei Phasen der Technologiereife basiert.
Die erste Phase betrifft „Sustaining Technologies“ (erhaltende Technologien). Hierbei handelt es sich um inkrementelle Verbesserungen bestehender Produkte. Sie zielen darauf ab, die Leistung zu steigern oder die Kosten zu senken, um die Position in einem etablierten Markt zu verteidigen. Deutsche Unternehmen sind traditionell Meister dieser Disziplin. Die zweite, weitaus kritischere Phase, sind die „Disruptive Technologies“. Diese „Game-Changer“ schaffen einen völlig neuen Nutzen für Kunden, definieren neue Märkte oder machen bestehende Technologien obsolet. Sie sind anfangs oft leistungsschwächer oder teurer und werden daher von etablierten Unternehmen als irrelevant abgetan – eine fatale Fehleinschätzung.
Die dritte Phase ist die Etablierung einer Innovationsprozess-Balance. Erfolgreiche Unternehmen managen ein Portfolio aus beiden Technologiearten. Sie nutzen erhaltende Technologien zur Sicherung des Kerngeschäfts und investieren gleichzeitig gezielt kleine, aber strategische Beträge in disruptive Ansätze, um für zukünftige Märkte gerüstet zu sein. Dies zeigt sich auch bei deutschen Sprunginnovationen wie MP3 oder mRNA-Impfstoffen, die oft in spezialisierten B2B-Märkten entstehen und erst später ihre volle disruptive Kraft entfalten.
Warum die meisten „Game-Changer“ scheitern: was deutsche Unternehmen daraus lernen können?
Die Geschichte der Wirtschaft ist ein Friedhof für brillante Ideen, die als „Game-Changer“ gefeiert wurden und dennoch scheiterten. Der Grund liegt selten in der Technologie selbst, sondern in den Strukturen der etablierten Unternehmen, die sie bewerten. Dieses Phänomen, bekannt als das „Innovator’s Dilemma“, wurde von Clayton Christensen prägnant beschrieben.
Alle bahnbrechenden Technologiesprünge wurden von den führenden Unternehmen der jeweiligen Branchen verpasst. Für ihn sind es immer die kleinen und jungen Unternehmen, meistens Start-ups, die technologischen Fortschritt schaffen und veraltete Strukturen zerstören.
– Clayton Christensen, Wirtschaftswissenschaftler
Die Ursache ist eine tief verwurzelte strategische Inkompatibilität. Disruptive Technologien passen nicht in die bestehenden Geschäftsmodelle. Sie zielen auf kleinere, anfangs unrentable Märkte, haben niedrigere Margen oder erfordern neue Vertriebskanäle. Die internen Prozesse erfolgreicher Unternehmen sind jedoch darauf optimiert, Ressourcen dorthin zu lenken, wo die größten und profitabelsten Kunden sind. Eine vielversprechende, aber kleine disruptive Idee verliert diesen internen Kampf um Budgets und Aufmerksamkeit immer. In der deutschen Industriekultur manifestiert sich dies oft im „Not-Invented-Here-Syndrom“: eine skeptische Haltung gegenüber extern entwickelten Ideen, die nicht aus der eigenen, hochgeschätzten Entwicklungsabteilung stammen.

Wie dieses Bild andeutet, führt professioneller Stolz oft zu einer unbewussten Abwehrhaltung gegenüber externer Innovation. Deutsche Unternehmen können daraus lernen, dass sie separate Einheiten oder Prozesse schaffen müssen, die außerhalb der Logik des Kerngeschäfts agieren dürfen. Diese „geschützten Räume“ ermöglichen es, disruptive Ideen mit eigenen Kennzahlen, Budgets und Zielen zu entwickeln, bis sie reif genug sind, um entweder einen neuen Markt zu erobern oder das alte Geschäftsmodell gezielt zu kannibalisieren.
Wie Sie Innovation mit begrenztem Budget umsetzen: der Weg für den deutschen Mittelstand?
Die Vorstellung, dass disruptive Innovation riesige Budgets erfordert, ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Während Großmächte wie die USA und China Milliarden in Schlüsseltechnologien wie KI investieren, kann der deutsche Mittelstand nicht durch schiere Finanzkraft gewinnen. Die Lösung liegt in strategischer Intelligenz und der cleveren Nutzung des bestehenden Ökosystems. Es geht nicht darum, mehr auszugeben, sondern smarter zu investieren.
Eine Analyse der Innovationsintensität in Deutschland zeigt ein überraschendes Bild: Nicht die Großunternehmen sind die Treiber der Disruption. Mit einem Anteil von 39 % disruptiver Innovationen sind es die Kleinunternehmen, die am radikalsten agieren, während der Mittelstand und Großkonzerne hinterherhinken.
| Unternehmensgröße | Anteil disruptiver Innovationen |
|---|---|
| Kleinunternehmen | 39% |
| Mittelstand | 28% |
| Großunternehmen | 29% |
Dies beweist, dass Agilität und Fokus wichtiger sind als die Größe des F&E-Budgets. Für den deutschen Mittelstand bedeutet das: Statt zu versuchen, alles intern zu entwickeln, sollte der Hebel des einzigartigen deutschen Innovationsökosystems genutzt werden. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern senkt nicht nur die Kosten, sondern erhöht auch die Geschwindigkeit und die Qualität der Ideen.
Ihr Aktionsplan für schlanke Innovation: Das deutsche Ökosystem nutzen
- Forschungspartner identifizieren: Evaluieren Sie Kooperationen mit den über 108 Universitäten, 211 Fachhochschulen und 281 außeruniversitären Forschungseinrichtungen (z. B. Fraunhofer- oder Max-Planck-Institute) in Ihrer Nähe.
- Fördermittel erschließen: Nutzen Sie die Angebote der neuen Agentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) und der IHK-Organisation für zielgenaue und zeitlich begrenzte Förderungen, um das Risiko bei radikalen Projekten zu minimieren.
- Startup-Kooperationen eingehen: Statt Startups nur zu beobachten, initiieren Sie konkrete Pilotprojekte. Bieten Sie Zugang zu Ihren Marktdaten oder Produktionskapazitäten im Austausch für technologische Impulse.
- Open-Innovation-Plattformen nutzen: Beteiligen Sie sich an branchenübergreifenden Plattformen, um externe Ideen für spezifische Problemstellungen zu sourcen, ohne eine eigene große F&E-Abteilung aufbauen zu müssen.
- Technologie-Scouts einsetzen: Definieren Sie klare Suchfelder und beauftragen Sie spezialisierte Scouts oder kleine interne Teams damit, gezielt nach passenden Technologien und Partnern im Ökosystem zu suchen.
Kontinuierliche Optimierung oder radikaler Neuanfang: welche Strategie für Ihr Unternehmen funktioniert?
Die Frage, ob man auf kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) oder auf radikale Disruption setzen sollte, ist für viele Strategen ein zentrales Dilemma. Doch es ist eine falsche Dichotomie. Die erfolgreichsten Unternehmen der Welt beherrschen beides. Sie betreiben ein ambidextres System: Mit der einen Hand optimieren sie das Kerngeschäft, mit der anderen explorieren sie die Geschäftsmodelle der Zukunft. Für deutsche Unternehmen, die traditionell stark in der Optimierung sind, liegt die Herausforderung in der Integration des Radikalen.
Deutschland gibt im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel für Forschung und Entwicklung aus. Mit 3,13 % des BIP für FuE liegt Deutschland weit über dem EU-Durchschnitt und in der Spitzengruppe. Das Problem ist also nicht die Höhe der Ausgaben, sondern deren Allokation. Ein Großteil dieser Gelder fließt in die inkrementelle Verbesserung bestehender Produkte, während disruptive Projekte unterfinanziert bleiben. Obwohl Deutschland in Zukunftsfeldern wie KI, Industrie 4.0 und Raumfahrt technologisch stark ist, hemmen strukturelle Probleme die Umsetzung in bahnbrechende Produkte.
Die richtige Strategie ist daher keine „Entweder-oder“-Entscheidung, sondern ein „Sowohl-als-auch“-Ansatz. Dies erfordert ein Portfolio-Management für Innovationen:
- Kerninnovation (70 % der Ressourcen): Projekte zur schrittweisen Verbesserung des Kerngeschäfts. Sie sichern den Cashflow und die heutige Wettbewerbsfähigkeit.
- Angrenzende Innovation (20 % der Ressourcen): Projekte, die das bestehende Geschäft erweitern, z. B. durch den Eintritt in neue Märkte mit bekannter Technologie.
- Disruptive Innovation (10 % der Ressourcen): Projekte mit hohem Risiko und unsicherem Ausgang, die das Potenzial haben, völlig neue Märkte zu schaffen. Diese 10 % sind die strategische Wette auf die Zukunft.
Diese 70-20-10-Regel ist ein Leitfaden, um sicherzustellen, dass das Unternehmen nicht nur für das nächste Quartal, sondern auch für das nächste Jahrzehnt plant. Es geht darum, die Effizienz der kontinuierlichen Optimierung zu nutzen, um den Freiraum für den radikalen Neuanfang zu finanzieren.
Die Selbstzufriedenheitsfalle, die erfolgreiche Unternehmen in die Irrelevanz führt
Die größte Gefahr für ein erfolgreiches Unternehmen ist der Erfolg selbst. Er führt zu einer Kultur der Selbstzufriedenheit, in der bestehende Prozesse und Geschäftsmodelle als unantastbar gelten. Jede Abweichung vom bewährten Pfad wird als unnötiges Risiko angesehen. Diese Haltung ist der Nährboden für den „Kodak-Moment“ – den Punkt, an dem ein Marktführer von einer Technologie überrollt wird, die er selbst lange ignoriert oder sogar erfunden hat.

Das Bild einer verlassenen Industriehalle, in der die einst stolzen Maschinen unter Staubtüchern verschwinden, ist eine starke Metapher für diese Falle. Der Erfolg von gestern schafft eine organisationale Trägheit, die es fast unmöglich macht, auf die Signale von morgen zu reagieren. Die Prozesse, die das Unternehmen groß gemacht haben – Qualitätskontrolle, Effizienzsteigerung, Kundenorientierung im Massenmarkt –, werden zu Fesseln, die radikale Innovation verhindern. Man hört auf die aktuellen Großkunden, und diese wollen verständlicherweise nur bessere Versionen dessen, was sie bereits kennen.
Wie BDI-Präsident Siegfried Russwurm betont, hängt die Innovationskraft stark von externen Faktoren ab. Doch die internen Rahmenbedingungen sind ebenso entscheidend.
Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt im Kern von unserer Innovationsfähigkeit ab. Die Unternehmen investieren in Innovation, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören niedrigere Energiepreise, effiziente Verwaltungsverfahren und wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern.
– Siegfried Russwurm, BDI-Präsident
Der Ausweg aus der Selbstzufriedenheitsfalle erfordert eine bewusste kulturelle Anstrengung von der Führungsebene. Es bedeutet, Neugier zu belohnen, das Scheitern bei experimentellen Projekten zu entstigmatisieren und Kennzahlen einzuführen, die nicht nur die Performance des Kerngeschäfts, sondern auch den Fortschritt bei disruptiven Wetten messen. Es geht darum, eine gesunde Paranoia zu kultivieren und sich stets zu fragen: „Welches Startup versucht gerade, unser Geschäftsmodell überflüssig zu machen?“
Welche disruptive Technologie für Ihre Industrie in den nächsten 3 Jahren entscheidend wird?
Die Identifikation der „nächsten großen Sache“ gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Statt jedoch vage auf „KI“ oder „Blockchain“ zu starren, müssen Strategen einen Innovations-Radar entwickeln, der spezifische Technologiefelder systematisch überwacht und auf ihre Relevanz für das eigene Geschäftsmodell bewertet. Nicht jede Technologie ist für jede Industrie gleich wichtig. Die Kunst besteht darin, die Felder zu identifizieren, deren Fortschritt die Grundfesten der eigenen Branche erschüttern könnte.
Für den deutschen Industriestandort kristallisieren sich mehrere kritische Technologiefelder heraus, die in den nächsten drei Jahren entscheidende Veränderungen auslösen werden. Diese sollten im Fokus jedes strategischen Radars stehen:
- Materialien und Fertigung: Additive Fertigung (3D-Druck) ermöglicht nicht nur Prototypen, sondern dezentrale, individualisierte Serienproduktion. Neue Verbundwerkstoffe verändern die Eigenschaften von Produkten fundamental, von Leichtbau in der Automobilindustrie bis zu biokompatiblen Implantaten in der Medizintechnik.
- Künstliche Intelligenz und Computing: Über die reine Datenanalyse hinaus ermöglichen Machine Learning und Edge Computing autonome Systeme direkt in der Fabrikhalle oder im Fahrzeug. Dies ist die Grundlage für Industrie 4.0 und autonomes Fahren.
- Energie und Umwelt: Grüne Technologien, insbesondere Fortschritte bei Energiespeichern (z.B. Feststoffbatterien) und grünem Wasserstoff, haben das Potenzial, die gesamte Energie- und Mobilitätsbranche neu zu ordnen.
- Quantentechnologie: Auch wenn es noch Zukunftsmusik scheint, wird Quantencomputing die Materialwissenschaft und Medikamentenentwicklung revolutionieren, während Quantenkommunikation Datensicherheit neu definieren wird.
- Bio- und Gentechnologien: Technologien wie CRISPR zur Gen-Editierung und die Entwicklung personalisierter Medizin auf mRNA-Basis stellen die etablierte Pharmaindustrie auf den Kopf.
Ein Sektor, der dies bereits verinnerlicht hat, ist die Elektroindustrie. Nach der Innovationserhebung des ZEW wies sie eine hohe Innovationsintensität von 10,1 % auf, was zeigt, wie stark dieser Sektor bereits in zukünftige Technologien investiert. Die Aufgabe für jedes Unternehmen ist es nun, diese allgemeinen Felder auf die eigene Wertschöpfungskette herunterzubrechen und zu fragen: „Welcher Fortschritt in welchem Feld würde unser Geschäftsmodell am stärksten bedrohen oder ihm die größten Chancen eröffnen?“
Warum wahllose F&E-Ausgaben verpuffen: was erfolgreiche Innovatoren anders machen?
Viele Unternehmen glauben, Innovation sei eine direkte Funktion der Höhe ihrer F&E-Ausgaben. Sie pumpen Geld in ihre Labore und sind dann enttäuscht, wenn am Ende nur inkrementelle Produktverbesserungen statt bahnbrechender Neuheiten herauskommen. Der Grund: Geld allein erzeugt keine Disruption. Wahllose F&E-Investitionen verpuffen, wenn sie nicht in eine klare Marktstrategie und eine passende Organisationsstruktur eingebettet sind. Erfolgreiche Innovatoren machen hier zwei Dinge fundamental anders.
Erstens verstehen sie, dass Disruption erst an der Schnittstelle von Innovation und Marktkräften entsteht. Die beste Erfindung ist wertlos, wenn sie keinen Markt findet oder nicht skalierbar ist. Das Beispiel der Corona-Impfstoffe zeigt dies eindrücklich: Die mRNA-Technologie existierte seit Jahren, doch erst der immense Marktdruck und die Fähigkeit, die Produktion explosionsartig zu skalieren, machten sie zu einer realen Disruption. Erfolgreiche Innovatoren denken daher nicht nur an die Erfindung, sondern von Anfang an an den Markteintritt, die Skalierbarkeit und das Geschäftsmodell.
Zweitens richten sie ihre F&E-Ausgaben gezielt auf die Schließung strategischer Lücken aus, statt sie breit zu streuen. Ein Blick auf das globale Innovationsranking zeigt, warum das nötig ist. Deutschland ist zwar gut positioniert, aber nicht an der absoluten Spitze.
Fallstudie: Vergleich im Innovations-Ranking 2024
Im Vergleich großer Industrieländer im Innovationsindikator 2024, der von der Deutschen Telekom Stiftung und dem BDI herausgegeben wird, zeigt sich ein klares Bild. Während Südkorea auf dem ersten Platz unter den Industrieländern (Gesamtrang 11) landet, folgt Deutschland direkt dahinter auf Platz 2 (Gesamtrang 12). Großbritannien, die USA und Frankreich liegen dahinter. Dies verdeutlicht, dass Deutschland zwar zur Weltspitze gehört, der Wettbewerb jedoch extrem eng ist und gezielte Anstrengungen erfordert, um die Führungsposition zu sichern oder auszubauen.
Anstatt also das Budget linear zu erhöhen, analysieren erfolgreiche Innovatoren genau, in welchen Technologiefeldern sie eine führende Rolle spielen können (siehe H2 9.3) und konzentrieren ihre Ressourcen dorthin. Sie vermeiden die „Ressourcen-Allokations-Falle“, indem sie disruptive Projekte in separaten Einheiten mit eigenen Budgets schützen und sie nicht dem Wettbewerb mit dem profitablen Kerngeschäft aussetzen.
Das Wichtigste in Kürze
- System statt Zufall: Ersetzen Sie passive Trendbeobachtung durch einen aktiven Innovations-Radar mit klaren Frühwarnindikatoren.
- Die Selbstzufriedenheitsfalle: Der größte Feind der Innovation ist der Erfolg von gestern. Brechen Sie bewusst mit Prozessen, die nur das Kerngeschäft optimieren.
- Ökosystem-Hebel nutzen: Anstatt zu versuchen, alles selbst zu erfinden, nutzen Sie strategisch das dichte deutsche Netzwerk aus Forschungsinstituten, Universitäten und Startups.
Wie Sie Innovation vom Zufall zur berechenbaren Wachstumsstrategie machen
Wir haben gesehen, dass die Identifikation disruptiver Innovationen kein mystischer Akt der Vorsehung ist, sondern das Ergebnis eines disziplinierten, strategischen Prozesses. Der Wandel von einer reaktiven zu einer vorausschauenden Organisation gelingt, wenn man aufhört, auf den einen genialen Geistesblitz zu warten, und stattdessen ein System etabliert, das Innovationen systematisch erzeugt, bewertet und zur Marktreife führt. Das Potenzial ist enorm: Ein Trendindex zeigt, dass bereits 30 % der Innovationstätigkeiten in Deutschland disruptiv sind. Die Aufgabe ist, diesen Anteil bewusst zu steuern und zu erhöhen.
Der Weg von der zufälligen Entdeckung zur berechenbaren Wachstumsstrategie basiert auf drei Säulen. Die erste Säule ist der Aufbau eines Innovations-Radars. Dieses System überwacht kontinuierlich definierte Technologiefelder, Start-up-Aktivitäten und Patentanmeldungen, um schwache Signale frühzeitig zu erkennen. Die zweite Säule ist ein Portfolio-Management für Innovationen (wie im 70-20-10-Modell), das sicherstellt, dass neben dem Kerngeschäft auch radikale Wetten auf die Zukunft mit Ressourcen ausgestattet werden. Dies erfordert geschützte Räume und separate Kennzahlen, um die „Ressourcen-Allokations-Falle“ zu umgehen.
Die dritte und entscheidende Säule ist die kulturelle Verankerung. Die Unternehmensführung muss aktiv eine Kultur der Neugier, des Experimentierens und der Fehlertoleranz vorleben. Es braucht einen intensiven Austausch zwischen Politik, Forschung und den Betrieben, um Potenziale früher zu erkennen und schneller auf den Markt zu bringen. Der Wettbewerb wird nicht in den Laboren allein gewonnen, sondern durch die Geschwindigkeit, mit der eine gute Idee zu einem skalierbaren Produkt wird, das eine breite Marktresonanz findet.
Beginnen Sie noch heute damit, die Weichen zu stellen. Führen Sie eine erste Analyse durch, um die vielversprechendsten Technologiefelder für Ihren Sektor zu identifizieren und bewerten Sie, wie gut Ihr Unternehmen aufgestellt ist, um die nächste Welle der Disruption nicht nur zu überleben, sondern sie anzuführen.