
Entgegen der landläufigen Meinung liegt der Schlüssel zur Innovation nicht in der Generierung brillanter Ideen, sondern in der rigorosen und systematischen Eliminierung der schlechten Ideen, bevor sie kostspielig werden.
- Die meisten Produkteinführungen scheitern nicht am Produkt selbst, sondern an ungetesteten, fundamentalen Annahmen über den Kunden und den Markt.
- Wissenschaftliche Experimente zielen darauf ab, Hypothesen zu widerlegen (falsifizieren), nicht sie zu bestätigen. Dies schützt vor kostspieligem Bestätigungsfehler.
Empfehlung: Implementieren Sie ein standardisiertes Framework, um kritische Annahmen zu identifizieren, Experimente zur Kausalitätsmessung durchzuführen und klare Pivot-or-Persevere-Kriterien festzulegen.
Die Innovationslandschaft in Deutschland ist ein Paradoxon: Während die Ausgaben für Forschung und Entwicklung Rekordhöhen erreichen, sinkt der Anteil, den neue Produkte zum Umsatz beitragen. Viele Produktmanager und Innovationsverantwortliche stecken in einem Dilemma. Sie werden ermutigt, mutig und innovativ zu sein, doch die Realität ist, dass die meisten neuen Produkte am Markt scheitern. Die gängigen Ratschläge – „sei agil“, „bau ein MVP“, „lerne aus Fehlern“ – sind oft zu vage, um in der Praxis vor teuren Fehlinvestitionen zu schützen. Sie behandeln Symptome, aber nicht die zugrunde liegende Krankheit: Entscheidungen, die auf Bauchgefühl und unbewiesenen Annahmen basieren, anstatt auf empirischen Beweisen.
Die wahre Herausforderung liegt nicht im Mangel an Ideen, sondern im Fehlen eines rigorosen Prozesses, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Ohne einen wissenschaftlichen Ansatz zur Validierung ist jede Produkteinführung im Grunde ein Glücksspiel mit schlechten Quoten. Es genügt nicht, einfach nur Daten zu sammeln; man muss die richtigen Fragen stellen und Experimente entwerfen, die echte Kausalität aufdecken, anstatt sich von trügerischen Korrelationen in die Irre führen zu lassen. Dieser Artikel bricht mit den oberflächlichen Ratschlägen und stellt einen fundamental anderen Ansatz in den Mittelpunkt: die systematische Falsifizierung von Hypothesen.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit hoher Sicherheit vorhersagen, welche Ihrer Initiativen scheitern werden, und Ihr Budget nur auf die vielversprechendsten konzentrieren. Der Schlüssel dazu ist, Produktentwicklung weniger als kreativen Akt und mehr als wissenschaftliches Experiment zu betrachten. Es geht darum, ein System zu etablieren, das es Ihnen ermöglicht, die riskantesten Annahmen Ihrer Geschäftsstrategie zu identifizieren und sie mit minimalem Aufwand zu testen. Wir werden untersuchen, wie Sie Experimente aufsetzen, die über einfache A/B-Tests hinausgehen, wie Sie psychologische Fallstricke wie den Bestätigungsfehler vermeiden und wie Sie klare, datengestützte Kriterien für die schwerwiegende Entscheidung zwischen „Weitermachen“ und „Kurswechsel“ definieren.
Dieser Leitfaden führt Sie durch die Methodik, die es Ihnen ermöglicht, systematisch Unsicherheiten zu reduzieren und die Wahrscheinlichkeit von Produkterfolgen drastisch zu erhöhen. Der folgende Überblick zeigt die Kernaspekte dieses rigorosen, evidenzbasierten Ansatzes.
Inhaltsverzeichnis: Wie Sie durch experimentelle Validierung Fehlinvestitionen vermeiden
- Warum Produkte ohne Validierung in 8 von 10 Fällen floppen?
- Wie Sie Experimente aufsetzen, die echte Kausalität statt Zufall messen?
- Minimal Viable Product oder ausführliche Pilotphase: was bei komplexen Lösungen?
- Die selektive Interpretation, die gescheiterte Hypothesen als Erfolg verkauft
- Wann Loslassen klüger ist als Weitermachen: Pivot-or-Persevere-Entscheidung?
- Der Korrelations-Kausalitäts-Fehler, der Ihre Analytics-Investition wertlos macht
- Wie Sie aus Fehlschlägen lernen, ohne Innovationsbudgets zu verschwenden?
- Wie Sie durch Data Analytics 40 % Ihrer Fehlentscheidungen vermeiden
Warum Produkte ohne Validierung in 8 von 10 Fällen floppen?
Die ernüchternde Realität ist, dass die überwiegende Mehrheit der Produktinnovationen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Dies ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines fundamentalen Missverständnisses: Ideen werden oft für Tatsachen gehalten. Eine brillante Idee ist zunächst nichts weiter als eine Ansammlung unbewiesener Annahmen. Das Scheitern ist daher nicht die Ausnahme, sondern der statistische Normalfall, wenn diese Annahmen nicht rigoros überprüft werden. Wie der Innovationsforscher Stefan H. Thomke von der Harvard Business School feststellt: Wenn 80 bis 90 Prozent von 10.000 Ideen falsch sind, bedeutet das eine Erfolgsquote von maximal zehn Prozent.
In Deutschland ist diese Herausforderung besonders akut. Obwohl Unternehmen massiv investieren, ist der wirtschaftliche Erfolg von Produktneuheiten rückläufig. Eine Analyse des Handelsblatts zeigt, dass der Umsatzanteil mit echten Produktinnovationen in der deutschen Wirtschaft auf nur 12,3 % im Jahr 2023 gesunken ist – ein deutlicher Rückgang gegenüber 18 % im Jahr 2006. Dies deutet darauf hin, dass die investierten Mittel oft nicht die gewünschte Marktwirkung erzielen. Die Ursache liegt selten in mangelnder technologischer Qualität, sondern in einer fehlenden Validierung des Bedarfs, der Zahlungsbereitschaft oder des angestrebten Geschäftsmodells.
Ein Produkt kann perfekt entwickelt sein und dennoch floppen, wenn es ein Problem löst, das niemand hat, oder wenn der Kunde nicht bereit ist, dafür zu zahlen. Jede dieser Annahmen – das Problem, die Lösung, der Preis, der Vertriebskanal – ist eine potentielle Fehlerquelle. Ohne einen systematischen Validierungsprozess werden diese Fehler erst nach dem Launch entdeckt, wenn die Kosten für eine Kurskorrektur exponentiell gestiegen sind. Die hohe Flop-Rate ist also eine direkte Konsequenz davon, mit dem Bauen zu beginnen, bevor das Lernen abgeschlossen ist.
Wie Sie Experimente aufsetzen, die echte Kausalität statt Zufall messen?
Um dem Bauchgefühl zu entkommen, müssen Experimente so gestaltet werden, dass sie nicht nur Korrelationen, sondern echte Kausalität nachweisen. Ein kausales Experiment beantwortet die Frage: „Führt die Änderung von Variable A *direkt* zu einer messbaren Veränderung von Ergebnis B?“ Dies erfordert ein Umdenken weg von reiner Beobachtung hin zu kontrollierter Intervention. Der erste Schritt ist die Formulierung einer präzisen, falsifizierbaren Hypothese. Eine gute Hypothese hat immer die Struktur: „Wir glauben, dass [Aktion] bei [Zielgruppe] zu [Ergebnis] führen wird. Wir werden dies wissen, wenn wir [messbare Metrik] sehen.“

Dieses Vorgehen zwingt zur Klarheit über die zu testende Annahme und die Erfolgskriterien, noch bevor das eigentliche Experiment startet. Es schafft die Grundlage für wissenschaftliche Strenge. Um die Kausalität zu isolieren, sind verschiedene experimentelle Designs denkbar, deren Komplexität vom Anwendungsfall abhängt. Die Wahl der richtigen Methode ist entscheidend, um valide und interpretierbare Ergebnisse zu erhalten.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über gängige experimentelle Methoden zur Validierung von Produkthypothesen.
| Methode | Anwendungsfall | Komplexität | Vorteil |
|---|---|---|---|
| A/B-Test | Zwei Varianten vergleichen | Niedrig | Einfache Kausalität |
| Multivariate Tests | Multiple Elemente gleichzeitig testen | Mittel | Interaktionen verstehen |
| Faktorielle Designs | Komplexe Wechselwirkungen | Hoch | Tiefgehende Insights |
Aktionsplan: Ihre kritischsten Annahmen für den Test vorbereiten
- Interaktionspunkte definieren: Listen Sie alle Berührungspunkte auf, an denen Ihre Zielgruppe mit der hypothetischen Lösung interagieren würde (z.B. Website, App, Vertriebsgespräch).
- Annahmen inventarisieren: Sammeln Sie alle Annahmen, die für den Erfolg des Produkts wahr sein müssen. Formulieren Sie diese als überprüfbare Aussagen (z.B. „Kunden sind bereit, X€ für Funktion Y zu zahlen“).
- Risiko bewerten & priorisieren: Bewerten Sie jede Annahme nach zwei Kriterien: Grad der Unsicherheit und Auswirkung bei Scheitern. Die riskantesten Annahmen (hohe Unsicherheit, hohe Auswirkung) müssen zuerst getestet werden.
- Erfolgsmetrik festlegen: Definieren Sie für jede priorisierte Annahme eine klare, quantifizierbare Metrik, die den Erfolg oder Misserfolg des Experiments eindeutig anzeigt (z.B. „Conversion-Rate von >5%“, „mind. 20% der Testnutzer verwenden Funktion Y täglich“).
- Experiment designen: Entwerfen Sie das minimal mögliche Experiment (z.B. A/B-Test einer Landing Page, Wizard-of-Oz-Test), das eine zuverlässige Messung der definierten Erfolgsmetrik ermöglicht.
Minimal Viable Product oder ausführliche Pilotphase: was bei komplexen Lösungen?
Der Begriff „Minimal Viable Product“ (MVP) ist einer der am häufigsten missverstandenen im Innovationsmanagement. Ein MVP ist kein abgespecktes Produkt. Es ist ein Experiment, das darauf ausgelegt ist, mit minimalem Aufwand maximales validiertes Wissen über eine kritische Hypothese zu generieren. Wie Experten von Objectbay betonen, muss ein MVP nicht einmal Software sein; eine Skizze, eine Landingpage oder ein Video können ausreichen, um eine fundamentale Annahme zu testen. Das Ziel ist nicht das Bauen, sondern das Lernen.
Bei komplexen B2B-Lösungen oder physischen Produkten stellt sich oft die Frage: Reicht ein einfaches MVP oder ist eine ausführliche Pilotphase notwendig? Die Antwort hängt von der Art der riskantesten Annahme ab:
- MVP (Fokus auf Lernen): Ideal zum Testen von „Front-End“-Risiken wie Kundenbedarf, Wertversprechen oder Zahlungsbereitschaft. Beispiele: Ein „Concierge-MVP“, bei dem der Service manuell für die ersten Kunden erbracht wird, oder ein „Wizard-of-Oz-MVP“, bei dem eine komplexe Technologie im Hintergrund von Menschen simuliert wird.
- Pilotphase (Fokus auf Validierung der Machbarkeit): Notwendig, wenn das größte Risiko in der technischen oder operativen Umsetzung liegt („Back-End“-Risiken). Hier geht es darum zu beweisen, dass die Lösung unter realen Bedingungen zuverlässig, skalierbar und zu den kalkulierten Kosten funktioniert.
Die Entscheidung für den richtigen Ansatz ist in der aktuellen Wirtschaftslage in Deutschland von strategischer Bedeutung. Die Innovationserhebung des ZEW zeigt, dass die Bereitschaft der Unternehmen zu Produktinnovationen von 41,3 % im Jahr 2023 auf geplante 34,4 % für 2024 sinkt. Diese wachsende Risikoaversion macht kapitaleffiziente Lernmethoden wie das MVP umso wichtiger. Anstatt in eine teure Pilotphase zu investieren, die auf einer unbewiesenen Bedarfsannahme beruht, ermöglicht ein vorgeschaltetes, schlankes MVP die kostengünstige Validierung des Marktrisikos.
Die selektive Interpretation, die gescheiterte Hypothesen als Erfolg verkauft
Das größte Hindernis für ehrliches, validiertes Lernen ist nicht die Technik, sondern die menschliche Psychologie. Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) ist die tief verwurzelte Neigung, Informationen so zu suchen, zu interpretieren und zu erinnern, dass sie die eigenen Überzeugungen bestätigen. Im Produktmanagement führt dies zu einem Phänomen, das man als „Erfolgstheater“ bezeichnen könnte: Experimentergebnisse werden unbewusst so lange gedreht und gewendet, bis sie die ursprüngliche Idee stützen, anstatt sie objektiv zu bewerten. Vage Metriken und unklare Erfolgskriterien sind der Nährboden für diese Form der Selbsttäuschung.
Um diesem Bias entgegenzuwirken, ist ein rigoroser, unpersönlicher Prozess unerlässlich. Die wirksamsten Gegenmaßnahmen sind:
- Hypothesen und Erfolgskriterien ex ante definieren: Die Kriterien für Erfolg oder Misserfolg müssen schriftlich fixiert werden, *bevor* das Experiment beginnt. Eine nachträgliche Anpassung der Zielwerte ist tabu.
- Etablierung einer „Advocatus Diaboli“-Rolle: Im Team sollte es eine Person oder einen Prozess geben, deren explizite Aufgabe es ist, die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und alternative Interpretationen vorzuschlagen.
- Fokus auf Falsifizierung: Das Ziel des Experiments muss klar kommuniziert werden: Wir versuchen, unsere Annahme zu *widerlegen*. Gelingt uns das nicht, steigt unsere Zuversicht. Diese Umkehrung der Perspektive ist ein starkes psychologisches Werkzeug gegen den Wunsch, Recht zu behalten.
Führende Innovationsunternehmen haben verstanden, dass die Bekämpfung dieser Voreingenommenheit eine Frage der Unternehmenskultur und -infrastruktur ist. Wie Stefan H. Thomke in einem Interview mit t3n betont, liegt das Geheimnis ihres Erfolgs nicht in einzelnen Geniestreichen.
Diese Unternehmen haben über viele Jahre in eine Infrastruktur und Kultur investiert, die es ihnen ermöglicht, zigtausende Tests pro Jahr effizient durchzuführen. DAS ist das Geheimnis ihres Erfolgs: Die nötige Disziplin für immer wieder neue, kontrollierte Experimente.
– Stefan H. Thomke, Harvard Business School, Interview mit t3n
Wann Loslassen klüger ist als Weitermachen: Pivot-or-Persevere-Entscheidung?
Die Ergebnisse eines Experiments liegen vor, und sie sind nicht eindeutig. Die Daten zeigen weder einen klaren Erfolg noch ein totales Desaster. Dies ist der Moment der Wahrheit für jedes Innovationsteam: die „Pivot-or-Persevere“-Entscheidung. „Persevere“ (Weitermachen) bedeutet, die Hypothese beizubehalten und durch weitere Iterationen zu optimieren. „Pivot“ (Kurswechsel) bedeutet, eine fundamentale Komponente der Strategie (z.B. die Zielgruppe, das Problem, die Lösung) zu ändern, während die Vision beibehalten wird. Diese Entscheidung ist eine der schwierigsten und folgenreichsten im gesamten Innovationsprozess.

Sich an eine scheiternde Idee zu klammern, verbrennt nicht nur Geld, sondern auch die Moral des Teams (Sunk Cost Fallacy). Ein zu früher Pivot hingegen wirft möglicherweise eine vielversprechende, aber noch nicht optimierte Chance über Bord. Um diese Entscheidung zu objektivieren, ist ein vorab definiertes Entscheidungs-Framework unerlässlich. Es ersetzt emotionale Debatten durch eine strukturierte Bewertung anhand von qualitativen und quantitativen Kriterien.
Die folgende Matrix fasst typische Signale zusammen, die bei dieser strategischen Weichenstellung helfen können.
| Kriterium | Pivot-Signal | Persevere-Signal |
|---|---|---|
| Kundenresonanz | Geringe oder negative Reaktion | Positive, aber langsame Adoption |
| Metriken-Entwicklung | Stagnation nach mehreren Iterationen | Kontinuierliche Verbesserung |
| Team-Moral | Sinkende Motivation | Hohes Engagement trotz Herausforderungen |
| Marktvalidierung | Keine Product-Market-Fit | Erste Anzeichen von Fit |
Der Korrelations-Kausalitäts-Fehler, der Ihre Analytics-Investition wertlos macht
Eine der teuersten Fehlinterpretationen in der Datenanalyse ist die Verwechslung von Korrelation und Kausalität. Korrelation bedeutet lediglich, dass zwei Ereignisse oder Variablen gemeinsam auftreten (z.B. „Im Sommer steigen die Eisverkäufe und die Zahl der Sonnenbrände“). Kausalität bedeutet, dass eine Variable die andere direkt verursacht. Die Investition in teure Analytics-Tools wird wertlos, wenn Geschäftsentscheidungen auf der falschen Annahme basieren, eine beobachtete Korrelation sei ein kausaler Zusammenhang.
In Deutschland verlassen sich viele Unternehmen noch immer auf Kennzahlen, die Korrelationen zeigen, aber keine Kausalität beweisen. Eine Deloitte-Umfrage unter 83 Innovationsführungskräften ergab, dass nur 27 % den Erfolg von Innovationen mit finanziellen Kennzahlen wie dem ROI messen, während sich 48 % auf weichere, nicht-finanzielle Indikatoren stützen. Diese weicheren Indikatoren sind oft anfällig für den Korrelations-Kausalitäts-Fehler. Um diesen Fehler zu vermeiden, ist der Aufbau von kontrollierten Experimenten unerlässlich. Das Grundprinzip ist die Schaffung einer Testgruppe (die der Änderung ausgesetzt wird) und einer Kontrollgruppe (die nicht der Änderung ausgesetzt wird). Nur der signifikante Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen kann als kausaler Effekt interpretiert werden.
Fallstudie: Nachweis der Werbewirkung durch experimentelles Design
Um die tatsächliche Wirkung von Online-Werbung zu messen, führte ein Forschungsprojekt, über das Horizont.net berichtete, ein ausgeklügeltes Experiment durch. Anstatt nur zu beobachten, wer Werbung sieht und dann ein Produkt kauft (Korrelation), griffen die Forscher aktiv ein. Sie rekrutierten 2.500 Teilnehmer, die soziale Netzwerke normal nutzen sollten. Mittels technischer Manipulation wurde jedoch sichergestellt, dass eine Testgruppe gezielt ausgewählte Werbespots sah, während eine Kontrollgruppe diese nicht sah. Da die Einblendung nahtlos erfolgte, war den Teilnehmern das Experiment nicht bewusst. Der anschließende Vergleich des Kaufverhaltens zwischen Test- und Kontrollgruppe ermöglichte eine präzise Messung des kausalen Effekts der Werbung, isoliert von allen anderen Einflussfaktoren.
Wie Sie aus Fehlschlägen lernen, ohne Innovationsbudgets zu verschwenden?
Der Leitspruch „Aus Fehlern lernen“ ist ein populäres, aber gefährlich unvollständiges Mantra. Unstrukturiertes Scheitern ist einfach nur teuer. Produktives Scheitern hingegen ist schnell, kostengünstig und liefert validiertes Wissen, das die nächste Entscheidung verbessert. Der Schlüssel liegt darin, Fehlschläge nicht als Endpunkt, sondern als Datenpunkt in einem iterativen Prozess zu betrachten: der Build-Measure-Learn-Schleife nach Eric Ries. Das Ziel ist es, die Zeit und die Kosten pro Lernzyklus drastisch zu reduzieren.
Dies ist besonders relevant im Kontext der deutschen Wirtschaft, die laut ZEW-Daten im Jahr 2023 Rekordinvestitionen in Innovationen von 203,4 Mrd. Euro tätigte. Bei solch hohen Ausgaben ist es wirtschaftlich fahrlässig, nicht über einen Prozess zu verfügen, der die Rendite des „Lernkapitals“ maximiert. Produktives Lernen aus Fehlschlägen erfordert drei Dinge:
- Kleine, fokussierte Experimente: Anstatt eines monolithischen Produkts werden kleine, gezielte Experimente durchgeführt, die jeweils nur eine einzige kritische Annahme testen. Dies reduziert die Kosten des Scheiterns auf ein Minimum.
- Validiertes Lernen (Validated Learning): Das Ergebnis jedes Experiments ist nicht „Erfolg“ oder „Misserfolg“, sondern „validiertes Wissen“. Man hat empirisch bewiesen, dass eine Annahme entweder zutrifft oder nicht. Dieses Wissen ist ein wertvolles Asset für das Unternehmen.
- Systematische Dokumentation: Jede Hypothese, jedes Experimentdesign, jede Metrik und jedes Ergebnis muss in einem „Lern-Register“ festgehalten werden. Dies verhindert, dass dieselben Fehler wiederholt werden und schafft eine Wissensbasis für zukünftige Projekte.
Anstatt also ein großes Budget in eine einzige große Wette zu investieren, wird es in ein Portfolio aus vielen kleinen, schnellen Wetten aufgeteilt. Jeder Fehlschlag eliminiert eine falsche Abzweigung und bringt das Unternehmen dem richtigen Weg näher, ohne das gesamte Innovationsbudget zu gefährden. So wird Scheitern von einer Katastrophe zu einem kalkulierten und effizienten Teil der Strategie.
Das Wichtigste in Kürze
- Innovation ist ein Prozess der Falsifizierung: Ziel ist es, schlechte Ideen durch rigorose Experimente schnell und günstig zu eliminieren, nicht gute Ideen zu bestätigen.
- Echte Kausalität statt Korrelation: Valide Geschäftsentscheidungen erfordern kontrollierte Experimente (Test- vs. Kontrollgruppe), um die tatsächliche Wirkung von Maßnahmen zu isolieren.
- Psychologische Fallen vermeiden: Standardisierte Prozesse und vorab definierte Erfolgskriterien sind die beste Verteidigung gegen Bestätigungsfehler und die Tendenz, gescheiterte Hypothesen als Erfolg zu interpretieren.
Wie Sie durch Data Analytics 40 % Ihrer Fehlentscheidungen vermeiden
Data Analytics ist nicht das Ziel, sondern das Werkzeug, um den wissenschaftlichen Prozess der Hypothesenvalidierung zu ermöglichen. Der Wert von Datenanalysen liegt nicht in der Erstellung bunter Dashboards, sondern in ihrer Fähigkeit, Unsicherheiten systematisch zu reduzieren und als Grundlage für rationale Entscheidungen zu dienen. Richtig eingesetzt, wird Analytics zum Rückgrat des gesamten Experimentier-Frameworks – von der Formulierung der Hypothese über die Messung der Ergebnisse bis hin zur Pivot-or-Persevere-Entscheidung.
Der strategische Einsatz von Analytics ermöglicht es, die fundamentalen Fragen zu beantworten: Reagiert der Markt auf unser Wertversprechen? Welche Funktionen werden tatsächlich genutzt und welche nicht? Welcher Preis wird akzeptiert? Jede Antwort, die durch Daten gestützt wird, eliminiert eine Annahme und ersetzt sie durch einen Fakt. Dieser Prozess der sukzessiven Reduzierung von Unsicherheit ist der direkte Weg zur Vermeidung von Fehlentscheidungen. Eine Kultur, die datengestützte Falsifizierung über ranghohe Meinungen stellt, ist die beste Versicherung gegen kostspielige Flops. Wie führende Wirtschaftsforscher betonen, ist diese Fähigkeit fundamental für die Wettbewerbsfähigkeit.
Innovationen sind von entscheidender Bedeutung für das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit. Sie treiben den Fortschritt voran und sind ein wesentlicher Treiber von Beschäftigung. Unternehmen, die innovativ sind, haben oft einen Wettbewerbsvorteil und können sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen.
– Prof. Dr. Hanna Hottenrott, Prof. Dr. Bettina Peters, Dr. Christian Rammer, ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Letztendlich geht es darum, eine Feedback-Schleife zu etablieren, in der jede Entscheidung eine neue Hypothese generiert, die durch Daten getestet wird, was wiederum die nächste, bessere Entscheidung informiert. Dies verwandelt den Innovationsprozess von einem linearen Wasserfall in einen kontinuierlichen Lernzyklus, der das Risiko bei jedem Schritt minimiert.
Beginnen Sie noch heute damit, einen rigorosen, wissenschaftlichen Prozess für Ihre Innovationsvorhaben zu etablieren. Analysieren Sie Ihre kritischsten Annahmen und entwerfen Sie Ihr erstes, schlankes Experiment, um Fakten an die Stelle von Vermutungen zu setzen.