Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Wissenschaftliche Publikationen sind kein akademischer Selbstzweck, sondern ein strategisches Instrument zur Zementierung von Marktführerschaft in einem umkämpften Marktumfeld.

  • Peer-Review-Verfahren wandeln interne Forschung in unanfechtbares intellektuelles Kapital um, dessen Glaubwürdigkeit die von Marketing weit übersteigt.
  • Ein strategisch gemanagtes Publikations-Portfolio aus A-Journals und Praxiszeitschriften steuert gezielt Reputation und Geschäftsanbahnung.
  • Akademische Partnerschaften und die Aktivierung von Unternehmensarchiven schaffen einzigartige, nicht kopierbare Wettbewerbsvorteile.

Empfehlung: Betrachten Sie Ihre F&E-Ergebnisse nicht als Kostenfaktor, sondern als strategisches Asset, das durch Publikationen aktiviert und in messbaren Markenwert umgewandelt werden kann.

In einer Zeit, in der das Vertrauen in klassische Unternehmenskommunikation erodiert, suchen Forschungs- und Innovationsverantwortliche in Deutschland nach neuen Wegen, um technologische Überlegenheit glaubhaft zu demonstrieren. Der Druck ist immens: Der Wettbewerb intensiviert sich, und die Notwendigkeit, den Standort Deutschland zukunftsfähig zu machen, wird immer dringlicher. Viele Unternehmen investieren massiv in Marketing, um ihre Innovationskraft zu beweisen, doch diese Botschaften verhallen oft als bloße Behauptungen im Lärm des Marktes.

Die üblichen Ansätze, wie Hochglanzbroschüren oder Pressemitteilungen, erzeugen zwar kurzfristige Aufmerksamkeit, aber keine tiefgreifende, nachhaltige Autorität. Was wäre, wenn der wirksamste Hebel zur Etablierung von Thought Leadership nicht in der Marketingabteilung, sondern im Herzen Ihrer Forschung und Entwicklung läge? Die strategische Publikation von Forschungsergebnissen in wissenschaftlichen Journalen bietet einen Weg, firmeneigenes Wissen in unanfechtbares intellektuelles Kapital zu verwandeln. Es geht nicht um akademischen Lorbeer, sondern um die Schaffung eines validierten Beweises Ihrer Expertise.

Dieser Artikel bricht mit der Vorstellung, dass wissenschaftliches Publizieren eine rein akademische Disziplin ist. Er zeigt Ihnen, wie Sie den Peer-Review-Prozess als strategisches Werkzeug für unternehmerische Resilienz nutzen, das richtige Publikationsforum für Ihre Ziele wählen und durch Partnerschaften und die Nutzung interner Datenquellen eine uneinholbare Position als Vordenker Ihrer Branche aufbauen. Wir werden den gesamten Prozess von der strategischen Planung bis zur Hebung des Markenwerts beleuchten.

Für all jene, die einen visuellen Einblick in die Mechanismen der wissenschaftlichen Qualitätsprüfung bevorzugen, bietet das folgende Video eine kompakte Einführung in die Welt des Peer-Reviews und die Werkzeuge, die Forschern dabei zur Verfügung stehen.

Um diese strategische Kompetenz systematisch aufzubauen, gliedert sich unsere Analyse in mehrere logische Schritte. Wir beginnen mit dem fundamentalen Wert von Peer-Review-Studien und bewegen uns dann zu den praktischen Aspekten des Publikationsprozesses, der strategischen Auswahl von Journalen und der Vermeidung typischer Fallstricke.

Warum Peer-Review-Studien Ihre Glaubwürdigkeit mehr stärken als Marketing?

Im heutigen Marktumfeld, das von Informationsüberflutung und Skepsis gegenüber Werbebotschaften geprägt ist, entsteht eine entscheidende strategische Lücke: die Glaubwürdigkeits-Arbitrage. Jede Behauptung, die ein Unternehmen über sich selbst aufstellt („Wir sind Innovationsführer“), wird vom Markt mit einem Abschlag bewertet. Eine von unabhängigen Fachexperten validierte Aussage hingegen wird als objektiver Fakt anerkannt. Genau hier liegt die überlegene Stärke von Peer-Review-Publikationen. Sie sind keine Werbung, sondern ein extern validierter Beweis für Kompetenz und verwandeln vages „Thought Leadership“ in konkretes, intellektuelles Kapital.

Für den Industriestandort Deutschland ist dieser Mechanismus von existenzieller Bedeutung. Wie die BDI-Studie zu den Transformationspfaden zeigt, ist heute bereits ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung in Deutschland bedroht. In diesem Umfeld reicht es nicht mehr, Innovation zu behaupten; sie muss bewiesen werden. Eine im Journal „Nature“ publizierte Studie über ein neues Material hat ein anderes Gewicht als eine Hochglanzbroschüre darüber. Sie zieht nicht nur Top-Talente an, sondern signalisiert auch dem Markt, den Wettbewerbern und potenziellen Partnern eine unanfechtbare technologische Führungsrolle.

Das Fraunhofer-Modell illustriert diesen Transfer von Wissenschaft zu industriellem Wert eindrucksvoll. Mit 507 Erfindungsmeldungen und 439 Patentanmeldungen allein im Jahr 2024 zeigt sich, wie wissenschaftliche Exzellenz direkt in schutzfähige und wertsteigernde Assets überführt wird. Jede dieser Erfindungen begann als Forschungsergebnis, das, wäre es publiziert worden, die Reputation des Instituts weiter gefestigt hätte. Für Unternehmen bedeutet dies: Jede erfolgreiche Publikation ist eine Einzahlung auf das Konto der eigenen Marke, die weit über den kurzfristigen Buzz einer Marketingkampagne hinausgeht.

Wie Siegfried Russwurm, Präsident des BDI, treffend formulierte, ist die Lage ernst: „Die Transformationspfade-Studie ist ein lauter Weckruf der Industrie für dringend notwendige Veränderungen im Land.“ In diesem Kontext sind Peer-Review-Publikationen kein Luxus, sondern ein strategisches Resilienz-Instrument. Sie schaffen eine Form von Glaubwürdigkeit, die in Krisenzeiten stabil bleibt und langfristig die Marktposition sichert.

Wie Sie den Publikationsprozess in wissenschaftlichen Journals meistern?

Der Weg von einer internen Forschungsnotiz zu einer publizierten Studie in einem renommierten Journal ist ein strukturierter Prozess, kein Glücksspiel. Das Herzstück dieses Prozesses ist das Peer-Review-Verfahren: ein systematischer Qualitätscheck durch unabhängige Gutachter (Reviewer) aus demselben Fachgebiet. Das Ziel ist es, die wissenschaftliche Solidität, Originalität und Relevanz einer Arbeit zu überprüfen. Für Unternehmen ist das Verständnis dieses Prozesses entscheidend, um die Erfolgschancen zu maximieren und Ressourcen effizient einzusetzen.

Der typische Ablauf beginnt mit der Einreichung eines Manuskripts bei einem Journal. Ein Redakteur (Editor) prüft zunächst die formale und thematische Passung. Erfüllt das Manuskript diese Grundanforderungen, wird es an zwei bis drei externe Gutachter weitergeleitet. In einem „Double-Blind“-Verfahren, bei dem weder Autoren noch Gutachter die Identität des jeweils anderen kennen, wird die Anonymität und Objektivität gewahrt. Die Gutachter geben eine Empfehlung ab: „annehmen“, „mit geringfügigen/größeren Änderungen annehmen“ oder „ablehnen“.

Die Visualisierung des Peer-Review-Prozesses verdeutlicht die verschiedenen Stufen und Entscheidungspunkte, die ein Manuskript durchlaufen muss.

Visualisierung des Peer-Review-Prozesses in wissenschaftlichen Journals

Wie dieses Schema zeigt, ist der Prozess iterativ. Eine Aufforderung zur Überarbeitung ist kein Scheitern, sondern eine Chance. Die konstruktive Einarbeitung des Feedbacks der Gutachter ist oft der entscheidende Schritt zur finalen Annahme des Artikels. Es ist ein Dialog zur Verbesserung der Qualität, kein Urteil. Für Innovationsverantwortliche bedeutet dies, den Prozess nicht als Hürde, sondern als externen Validierungsmechanismus zu begreifen, der den Wert der eigenen Forschung objektiv bestätigt und steigert.

Ihr Aktionsplan: Den Peer-Review-Prozess meistern

  1. Journal-Analyse: Prüfen Sie Scope, Impact Factor und Zielgruppe potenzieller Journals. Passt Ihre Forschung thematisch exakt zum Journal?
  2. State-of-the-Art-Synthese: Führen Sie eine umfassende Literaturrecherche durch. Positionieren Sie Ihre Arbeit klar im aktuellen Forschungsdiskurs und grenzen Sie sie ab.
  3. Neuerungswert schärfen: Formulieren Sie explizit in Abstract und Einleitung, worin der einzigartige Beitrag Ihrer Forschung besteht. Was ist die „eine“ neue Erkenntnis?
  4. Manuskript anonymisieren: Bereiten Sie das Dokument für ein Double-Blind-Review vor. Entfernen Sie alle Autorennamen, Institutionsbezeichnungen und Verweise auf firmeneigene Projekte.
  5. Reviewer-Feedback als Chance: Erstellen Sie ein „Response to Reviewers“-Dokument, in dem Sie Punkt für Punkt auf jede Anmerkung eingehen und die vorgenommenen Änderungen transparent darlegen.

Praxiszeitschriften oder A-Journals: welches Forum für Ihre Ziele?

Die Entscheidung, wo publiziert wird, ist keine taktische, sondern eine strategische. Die Wahl des richtigen Publikationsforums hängt direkt von den Zielen ab, die Sie verfolgen. Nicht jedes Journal dient dem gleichen Zweck. Als Innovationsverantwortlicher müssen Sie ein Publikations-Portfolio aufbauen, das sowohl langfristige Reputationsziele als auch kurzfristige Geschäftsinteressen bedient. Die zentrale Unterscheidung liegt zwischen hochrangigen A-Journals und anwendungsorientierten Praxiszeitschriften.

A-Journals wie „Nature“, „Science“ oder führende fachspezifische Journale mit hohem Impact Factor sind die Königsklasse des wissenschaftlichen Publizierens. Eine Veröffentlichung hier ist ein Ritterschlag. Sie zielt auf die wissenschaftliche Community, zementiert die Reputation als Technologieführer, steigert den Wert des intellektuellen Eigentums und ist ein Magnet für internationale Spitzenforscher. Der Prozess ist langwierig und hart, der direkte geschäftliche Nutzen oft indirekt und langfristig. Er dient dem Aufbau fundamentaler Glaubwürdigkeit.

Praxiszeitschriften, wie die „VDI nachrichten“ oder branchenspezifische Fachmagazine, richten sich hingegen direkt an Praktiker, Ingenieure und Entscheider in der Industrie. Der Review-Prozess ist schneller, der Fokus liegt auf Anwendbarkeit und unmittelbarem Nutzen. Eine Publikation hier kann direkt zur Lead-Generierung, zur Sichtbarkeit bei potenziellen Kunden und zur Positionierung als Problemlöser beitragen. Was der finanzielle Erfolg des Fraunhofer-Modells belegt, das 867 Millionen Euro an Wirtschaftserträgen in 2024 generierte, ist oft das Ergebnis einer engen Verzahnung von Forschung und industrieller Anwendung, wie sie in Praxiszeitschriften kommuniziert wird.

Die folgende Tabelle stellt die wesentlichen Unterschiede gegenüber und hilft bei der strategischen Entscheidung, welches Forum für welches Ziel am besten geeignet ist.

Vergleich: A-Journals vs. Praxiszeitschriften für deutsche Unternehmen
Kriterium A-Journals (z.B. Nature, Science) Praxiszeitschriften (z.B. VDI nachrichten)
Zielgruppe Wissenschaftliche Community Industrie-Praktiker
Review-Prozess Strenger Peer-Review (Wochen bis Monate) Editorial Review (Tage bis Wochen)
Impact auf Reputation Langfristig, tiefgreifend in F&E Kurzfristig, breit in der Industrie
Geschäftliche Relevanz Indirekt (Talent-Anziehung, IP-Wert) Direkt (Lead-Generierung, Sichtbarkeit)

Die 5 Reviewer-Kritikpunkte, die 60 % der Einreichungen scheitern lassen

Das Scheitern im Peer-Review-Prozess ist selten auf mangelnde Qualität der Forschung an sich zurückzuführen, sondern oft auf eine unzureichende Übersetzung der industriellen Ergebnisse in die Sprache und die Standards der Wissenschaft. Reviewer, die aus dem akademischen Umfeld stammen, bewerten Manuskripte aus Unternehmen mit einem besonders kritischen Blick. Die Antizipation ihrer Hauptkritikpunkte ist der Schlüssel, um die hohe Ablehnungsquote zu umgehen.

Die größte Hürde ist oft der Verdacht eines kommerziellen Bias. Ein Manuskript, das wie eine Produktbroschüre wirkt oder übermäßig positive Ergebnisse ohne Diskussion der Limitationen präsentiert, wird sofort abgelehnt. Transparenz ist hier entscheidend. Eine offene Darlegung der Methodik, der Grenzen der Studie und eine neutrale Sprache sind unabdingbar, um wissenschaftliche Integrität zu signalisieren. Es geht darum, Erkenntnisse zu teilen, nicht darum, Produkte zu verkaufen.

Ein weiterer häufiger Fehler ist die mangelnde theoretische Einbettung. Industrieforschung ist oft ergebnisorientiert. Für eine wissenschaftliche Publikation muss diese Forschung jedoch in den bestehenden akademischen Diskurs eingeordnet werden. Ein fehlender oder oberflächlicher Literaturreview, der den „State-of-the-Art“ ignoriert, signalisiert dem Reviewer, dass die Autoren die wissenschaftliche Debatte nicht kennen. Daraus resultiert oft der dritte Kritikpunkt: die fehlende Originalität. Der Neuheitswert muss explizit und im Kontrast zur bestehenden Literatur herausgearbeitet werden.

Die folgenden fünf Punkte fassen die häufigsten Gründe für eine Ablehnung zusammen und bieten direkte Lösungsstrategien:

  • Kritikpunkt 1: Mangelnde theoretische Einbettung. Lösung: Ein robuster Literaturreview ist Pflicht. Zeigen Sie, dass Sie die relevante akademische Debatte kennen und positionieren Sie Ihre Arbeit darin.
  • Kritikpunkt 2: Verdacht auf kommerziellen Bias. Lösung: Nutzen Sie eine neutrale, wissenschaftliche Sprache. Diskutieren Sie offen die Limitationen Ihrer Studie und vermeiden Sie jegliche werbliche Formulierung.
  • Kritikpunkt 3: Zu geringe Generalisierbarkeit. Lösung: Betten Sie Ihre Fallstudie oder Ihre Ergebnisse in einen breiteren Kontext ein. Diskutieren Sie, unter welchen Bedingungen Ihre Ergebnisse auf andere Szenarien übertragbar sein könnten.
  • Kritikpunkt 4: Unzureichende methodische Beschreibung. Lösung: Beschreiben Sie Ihre Methodik so detailliert, dass die Forschung theoretisch reproduzierbar wäre. Dies schafft Vertrauen in Ihre Ergebnisse.
  • Kritikpunkt 5: Fehlende Originalität und Beitrag. Lösung: Arbeiten Sie im Abstract und in der Einleitung klar heraus, was der spezifische, neue Beitrag Ihrer Arbeit zum Wissensstand ist.

Peer review cannot completely eliminate cases of fraud and the publication of low-quality papers.

– ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, FAQ on Peer Review

Wie akademische Partnerschaften Ihre Publikationschancen verdoppeln?

Für viele Unternehmen, insbesondere für den deutschen Mittelstand, stellt der Aufbau eigener Kapazitäten für hochrangige Publikationen eine enorme Hürde dar. Strategische Partnerschaften mit Universitäten und Forschungsinstituten sind hier kein Eingeständnis von Schwäche, sondern ein intelligenter Beschleuniger. Sie schaffen ein Validierungs-Ökosystem, das die Stärken beider Welten vereint: die industrielle Relevanz und die realen Daten des Unternehmens mit der methodischen Strenge und Publikationserfahrung der akademischen Welt.

Eine Kooperation mit einem akademischen Partner adressiert direkt mehrere der zuvor genannten Kritikpunkte. Ein Professor oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter als Co-Autor bringt von Natur aus eine hohe Glaubwürdigkeit und ein tiefes Verständnis für den Publikationsprozess mit. Er hilft, die Forschung theoretisch einzubetten, eine neutrale Sprache zu wahren und den Neuheitswert für ein akademisches Publikum herauszuarbeiten. Die Partnerschaft dient als internes Qualitätssiegel, noch bevor das Manuskript einen externen Reviewer erreicht.

Das Fraunhofer-Modell ist das Paradebeispiel für den Erfolg solcher Kooperationen in Deutschland. Mit 76 Instituten und 32.000 Mitarbeitenden fungiert die Gesellschaft als Brücke zwischen Grundlagenforschung und industrieller Anwendung. Der Erfolg ist messbar: Über 705 Millionen Euro wurden 2024 direkt aus Unternehmensaufträgen generiert, was zu 21 Spin-offs und 439 Patentanmeldungen führte. Dieses Modell zeigt, dass systematische Kooperationen zu einem Strom von Innovationen führen, die sowohl kommerziell verwertbar als auch wissenschaftlich publizierbar sind.

Die Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft ist ein symbiotischer Prozess, der von gegenseitigem Vertrauen und klaren Zielen lebt.

Darstellung einer Forschungskooperation zwischen Universität und Industrie

Die richtige Partnerschaft verdoppelt nicht nur die Chancen auf eine erfolgreiche Publikation, sondern öffnet auch Türen zu Fördermitteln, neuen Talenten und einem Netzwerk von Fachexperten. Für Innovationsleiter ist die Identifizierung und Pflege solcher Partnerschaften eine Kernaufgabe im Aufbau einer nachhaltigen Thought-Leadership-Strategie.

Wie Sie den Business Case für Forschung ohne sofortigen ROI bauen?

Eine der größten Herausforderungen für Innovationsverantwortliche ist die Rechtfertigung von Investitionen in Grundlagen- oder Langzeitforschung, die keinen unmittelbaren, quantifizierbaren Return on Investment (ROI) verspricht. Das Management fordert oft kurzfristige Ergebnisse, während der Aufbau von echtem Thought Leadership und technologischer Überlegenheit einen langen Atem erfordert. Der Schlüssel liegt darin, den Business Case von einer reinen Kosten-Nutzen-Rechnung zu einer strategischen Investitionsargumentation zu verschieben.

Der Fokus muss auf den indirekten, aber hochstrategischen Erträgen liegen. Dazu gehören:

  • Talent-Akquise: Die Möglichkeit, in renommierten Journals zu publizieren, ist ein starker Anreiz für die besten Köpfe im F&E-Bereich. Es positioniert das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber, der wissenschaftliche Exzellenz wertschätzt.
  • Markenwert und Reputation: Jede Publikation in einem A-Journal ist eine mediale Bestätigung der eigenen Kompetenz, die mehr wert ist als jede Werbekampagne. Sie baut eine „Firewall“ der Glaubwürdigkeit um die Marke.
  • IP-Pipeline: Forschung, die auf Publikationsniveau betrieben wird, generiert oft nebenbei wertvolles geistiges Eigentum (Patente, Modelle), das langfristig monetarisiert werden kann.
  • Strategische Optionen: Langzeitforschung schafft Optionen für die Zukunft. Sie ermöglicht es dem Unternehmen, auf unvorhergesehene technologische Umbrüche schnell zu reagieren, anstatt nur hinterherzulaufen.

Der Kontext für den Standort Deutschland untermauert diese Argumentation. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigt der Standort Deutschland laut BDI 1,4 Billionen Euro an Mehrinvestitionen bis 2030, ein Großteil davon in Innovation und Transformation. Hierbei handelt es sich nicht um kurzfristige Optimierungen, sondern um grundlegende, strategische Weichenstellungen. Forschung ohne sofortigen ROI ist ein integraler Bestandteil dieser nationalen Anstrengung.

Wie BDI-Präsident Siegfried Russwurm betont: „Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt im Kern von unserer Innovationsfähigkeit ab. Die Unternehmen investieren in Innovation, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“ Als Innovationsverantwortlicher ist es Ihre Aufgabe, intern die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Business Case sollte nicht fragen: „Was kostet diese Forschung?“, sondern: „Was kostet es uns, diese Forschung nicht zu betreiben und in fünf Jahren den technologischen Anschluss zu verlieren?“

Wie Corporate Archives funktionieren: Aufbau und Management?

Viele etablierte deutsche Unternehmen sitzen auf einem ungenutzten Schatz: ihren historischen Daten. Jahrzehnte von Forschungsberichten, Produktdaten, Marktanalysen und Ingenieursnotizen verstauben in physischen oder unstrukturierten digitalen Archiven. Diese Corporate Archives sind nicht nur ein Relikt der Vergangenheit, sondern eine einzigartige, nicht kopierbare Datenquelle für wissenschaftliche Publikationen, die einen uneinholbaren Wettbewerbsvorteil schaffen können.

Ein forschungsfähiges Unternehmensarchiv ist mehr als nur ein Datenspeicher. Es ist ein aktiv gemanagtes System, das darauf ausgelegt ist, historische Informationen für wissenschaftliche Analysen zugänglich zu machen. Unternehmen wie Bosch, Siemens und zahlreiche „Hidden Champions“ nutzen ihre Archive bereits, um einzigartige Längsschnittstudien durchzuführen. Sie können technologische Entwicklungen über Jahrzehnte nachzeichnen, den Erfolg oder Misserfolg von Innovationen analysieren und Muster aufdecken, die für externe Forscher unsichtbar bleiben. Eine Publikation, die auf einem solchen exklusiven Datensatz basiert, ist per Definition originell und kann von keinem Wettbewerber repliziert werden.

Der Aufbau eines solchen Archivs ist ein strategisches Projekt, das systematisch angegangen werden muss. Es erfordert eine klare Methodik, um aus einem unstrukturierten Datenhaufen eine wertvolle Forschungsressource zu machen.

  1. Digitalisierung und Inventarisierung: Der erste Schritt ist die systematische Erfassung und Überführung aller relevanten historischen Dokumente (Papier und digital) in ein einheitliches Format.
  2. Datenkuration und Strukturierung: Die digitalisierten Daten müssen kuratiert, d.h. inhaltlich bewertet, kategorisiert und thematisch geordnet werden.
  3. Metadaten-Management: Jedes Dokument erhält aussagekräftige Metadaten (Datum, Autor, Projekt, Schlüsselwörter), die in einem zentralen, durchsuchbaren System (z.B. einer Datenbank oder einem DAM-System) verwaltet werden.
  4. Qualitätssicherung: Die Datenintegrität muss für wissenschaftliche Standards sichergestellt werden. Lücken müssen dokumentiert, Formate validiert werden.
  5. Zugangsmanagement und Governance: Es müssen klare Protokolle etabliert werden, die den Zugriff für interne oder externe Forscher regeln und dabei die Vertraulichkeit sensibler Informationen wahren.

Ein gut gemanagtes Unternehmensarchiv ist somit kein passives Lager, sondern ein aktives Instrument der Wissensgenerierung. Es wandelt historische Kosten in zukünftige strategische Assets um und bildet die Grundlage für eine einzigartige Form des Thought Leaderships.

Das Wichtigste in Kürze

  • Von Marketing zu Validierung: Ersetzen Sie marketingbasierte Behauptungen durch extern validierte Beweise aus Peer-Review-Publikationen, um unanfechtbare Glaubwürdigkeit zu schaffen.
  • Portfolio-Denken statt Einzelaktionen: Steuern Sie Ihre Reputation und Geschäftsziele durch einen strategischen Mix aus A-Journals (langfristige Reputation) und Praxiszeitschriften (kurzfristiger Impact).
  • Interne Assets aktivieren: Nutzen Sie Ihre einzigartigen Unternehmensarchive als nicht kopierbare Datenquelle für exklusive wissenschaftliche Publikationen und damit als ultimativen Wettbewerbsvorteil.

Wie Sie Unternehmensarchive nutzen, um Markenwert um 30 % zu steigern

Die Aktivierung eines Unternehmensarchivs für wissenschaftliche Publikationen ist der letzte, entscheidende Schritt, um den Kreislauf von der Forschung zum Markenwert zu schließen. Der Prozess endet nicht mit der Annahme des Papers. Vielmehr beginnt hier die strategische Verwertung des neu geschaffenen, validierten intellektuellen Kapitals. Das Ziel ist es, die in der Publikation bestätigte Expertise in messbaren Markenwert und „Earned Media Value“ zu überführen.

Dieser Prozess lässt sich am besten als „Content-Veredelungskette“ beschreiben. Die wissenschaftliche Publikation ist der Rohdiamant – hoch wertvoll, aber nur für ein Fachpublikum zugänglich. Die Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es nun, diesen Diamanten zu schleifen und seine Strahlkraft für verschiedene Zielgruppen nutzbar zu machen. Aus einer einzigen, auf Archivdaten basierenden Studie können abgeleitet werden:

  • Fachartikel für Branchenmagazine, die die Kernaussagen für Praktiker übersetzen.
  • Whitepaper und Case Studies für die Lead-Generierung, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse als Lösung für Kundenprobleme präsentieren.
  • Pressemitteilungen, die den „News-Wert“ der Publikation für die Wirtschafts- und Fachpresse aufbereiten.
  • Vorträge auf Konferenzen, die den Autoren als Vordenker positionieren.

Dieser Ansatz ist besonders wirksam in einem Umfeld, in dem Deutschland seine Spitzenposition verteidigen muss. Während Deutschland im BDI-Innovationsindikator 2024 nur Rang 12 von 35 Volkswirtschaften erreicht, bieten solche einzigartigen, datengestützten Narrative eine Chance, sich abzuheben. Das Fraunhofer-Magazin etwa zeigt beispielhaft, wie historische Forschungsdaten nicht nur publiziert, sondern gezielt in der Unternehmenskommunikation als Alleinstellungsmerkmal genutzt werden, um die Position als Technologieführer zu untermauern.

Der entscheidende Vorteil: Jede dieser abgeleiteten Kommunikationsmaßnahmen kann sich auf die ursprüngliche, von Experten validierte Publikation berufen. Anstelle einer reinen Behauptung („Wir sind Experten für X“) tritt ein Beweis („Unsere Expertise für X wurde in Journal Y bestätigt“). Diese Kette der Validierung hebt die gesamte Unternehmenskommunikation auf ein höheres Glaubwürdigkeitsniveau und steigert den Markenwert nachhaltig, da sie auf Fakten und nicht auf Meinungen beruht.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihr internes Forschungspotenzial nicht nur als Quelle für Innovationen, sondern als strategisches Kommunikationsinstrument zu bewerten. Eine Auditierung Ihrer vorhandenen Forschungsdaten und historischen Archive ist der erste konkrete Schritt, um den verborgenen Wert für Ihre Markenautorität zu heben.

Geschrieben von Stefan Hoffmann, Stefan Hoffmann ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und zertifizierter Innovationsmanager mit über 15 Jahren Erfahrung in der digitalen Transformation. Er leitet derzeit als Chief Digital Officer die Digitalisierungsstrategie eines deutschen Industrieunternehmens mit 3.000+ Mitarbeitenden.